2 August 2024

Manuela Schwesig

Präsidentin des Bundesrates, Deutschland

Rede anlässlich des Holocaust-Gedenktages der Sinti und Roma am 2. August 2024

Sehr geehrte Überlebende,  

sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter der Sinti und Roma,  

sehr geehrter Herr Dr. Cywinski (Direktor des Museums)   

sehr geehrte Frau Senatsmarschallin (Frau Kidawa-Błońska, Polen),  

sehr geehrte Frau Bundestagspräsidentin (Bärbel Bas),  

sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,  

sehr geehrte Frau Staatsministerin (Claudia Roth),  

sehr geehrter Herr Staatssekretär (Władysław Teofil Bartoszewski, Polen)  

 

Sehr geehrte Damen und Herren,  

 Der Ort Auschwitz-Birkenau   

 ich bin zum ersten Mal in Auschwitz.  

 Es ist ein besonderer Moment, hier mit Ihnen gemeinsam zu stehen.  

 Ein schockierender und bewegender Moment.  

Wir haben gestern Abend schon ein bewegendes Konzert in der Krakauer Philharmonie erlebt. Ein würdiges Gedenken.  

 Gerade waren wir gemeinsam in Block 13, in der Ausstellung zum Porajmos.  

Wir haben die Familienfotos gesehen, die Fotos der Häftlinge, die Bilder der Ermordungen.  

Wir haben die endlosen Listen von Namen gesehen.  

Ich habe mir vorgestellt, wie Menschen hier gelitten haben.  

Ich kann kaum ermessen, wie schwer es für Überlebende oder Angehörige sein muss, hierher zu kommen.   

Im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau sind mehr als eine Million Menschen getötet worden. 

Etwa 20.000 davon waren Sinti und Roma. Ein Transport mit Sinti und Roma aus meinem Heimatland Mecklenburg-Vorpommern kam am 12. März 1943 hier an. 

Die wenigsten haben den Porajmos überlebt. 

Die letzten Sinti und Roma, die noch im Konzentrationslager Auschwitz waren, wurden vor 80 Jahren, am 2. August 1944, getötet. 

Ihrer gedenken wir heute. 

Wir denken an die 500.000 Sinti und Roma, die in der Zeit des Nationalsozialismus ermordet wurden. 

Wir denken auch an alle, die Widerstand gegen die nationalsozialistische Herrschaft geleistet haben. 

Die Sinti und Roma hier in Auschwitz ebenso wie die polnischen Aufständischen in Warschau. Gestern wurde der 80. Jahrestag des Warschauer Aufstands begangen. 

Als Deutsche nach Auschwitz zu kommen, ist ein schwerer Gang. 

Deutsche waren verantwortlich für den millionenfachen Mord. 

Deutsche waren verantwortlich für die Rassenideologie, mit denen dieser Mord gerechtfertigt wurde. 

Ich stehe hier im Bewusstsein deutscher Verantwortung und deutscher Schuld. 

Ich schäme mich für das, was Deutsche den Menschen angetan haben. 

Gleichzeitig bin ich dankbar, als Präsidentin des Deutschen Bundesrats gemeinsam mit Ihnen allen hier sein zu dürfen. 

Der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat hier in Auschwitz einmal gesagt: „Die Versöhnung ist eine Gnade, die wir Deutsche nicht erhoffen konnten oder gar erwarten durften. Aber wir wollen ihr gerecht werden.“ 

Wir sind in den vergangenen 80 Jahren in Europa Nachbarn, Partner, Verbündete und Freunde geworden. 

Diese Freundschaft zu erhalten und weiter auszubauen, daran möchte ich mitwirken. 

Verantwortung für Gegenwart und Zukunft 

Meine sehr geehrten Damen und Herren, 

Orte wie Auschwitz sind wichtig. Damit wir ein Bewusstsein für diese Verbrechen behalten und weitergeben können. 

Es gibt eine Jugendinitiative aus Roma und anderen Menschen, die es sich zur Aufgabe gemacht, den Holocaust-Gedenktag zu begehen und über das Leben von Sinti und Roma heute in informieren. 

Sie heißt „Dikh ne na bister“, und das möchte ich heute unterstreichen; denn es ist unsere gemeinsame Aufgabe. 

Dikh he na bister. Schau hin und vergiss nicht. 

Es hat lange gedauert, bis Sinti und Roma als Verfolgte und Opfer des Nazi-Regimes anerkannt wurden. 

Viele, die den Konzentrationslagern entkommen sind, mussten später erneut unter Diskriminierung, rassistischem Hass und Gewalt leiden.  

Bis heute richten sich Vorurteile gegen Sinti und Roma.  

Es gibt auch immer wieder Bestrebungen, die nationalsozialistische Gewaltherrschaft zu verharmlosen. 

Es gibt wieder politische Kräfte, die die Demokratie angreifen und die Überlegenheit einer Gruppe von Menschen über alle anderen behaupten. 

 Das dürfen wir nicht dulden.  

Setzen wir uns gemeinsam dafür ein, dass Rassenwahn, Ausgrenzung, Gewalt und Mord nie wieder die Oberhand gewinnen. 

Sinti und Roma gehören zu uns. Sie gehören zu Europa. 

Ein würdiges Gedenken an das Leid der Sinti und Roma in der Zeit des Nationalsozialismus ist die Grundlage für ein gutes, gleichberechtigtes Zusammenleben heute. 

Ein Zusammenleben, verbunden mit der Bereitschaft, sich mit der Geschichte der Sinti und Roma auseinanderzusetzen und ihre Besonderheiten zu respektieren. 

Auschwitz ist ein furchtbarer Ort, weil hier so viele Menschen gequält und getötet wurden. 

ber Auschwitz ist der richtige Ort, um gemeinsam, von Herzen und mit voller Überzeugung zu sagen: Nie wieder.  

Vielen Dank. 

Stellungnahmen 2024

Piotr Cywinski

Direktor des Staatlichen Museums und der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau

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Veranstaltung unter der Schirmherrschaft des Europäischen Parlaments

Kofinanziert von der Europäischen Union und kofinanziert und durchgeführt vom Europarat

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