2. August 2021
Helena Dalli
EU-Kommissarin für Gleichstellung
Rede anlässlich des Europäischen Holocaust-Gedenktags für die Sinti und Roma am 2. August 2021
An diesem Tag gedenken wir der rund eine halbe Million Roma und Sinti, die dem Holocaust zum Opfer fielen.
Diese Zahl entspricht mehr als einem Viertel der damaligen Roma-Bevölkerung, die vom nationalsozialistischen Regime aus keinem anderen Grund als dem des Andersseins ermordet wurden. Es ist schwer, sich die individuelle und kollektive Angst, den Schmerz und das Leid dieser unschuldigen Opfer vorzustellen, aber wir müssen es in unseren Herzen versuchen. Heute und für immer müssen wir die Erinnerung wach halten und die Lehren aus dieser Tragödie an die nächsten Generationen weitergeben. Wir dürfen diese Gräueltaten der Vergangenheit niemals wiederholen.
Heute gedenke ich all derer, die von einer rassistischen Ideologie und Vorherrschaft getrieben wurden. Die Nazis nahmen jeden ins Visier, den sie als asozial oder als Gefahr für das Regime ansahen. Die Roma und Sinti, die europäischen Juden, Menschen mit Behinderungen, LGBTIQ-Menschen, Kommunisten und sogar Linkshänder.
Es ist bedauerlich, dass bis heute zu wenige über diese schrecklichen Gräueltaten und ihre Durchführung Bescheid wissen. Und selbst heute noch leugnen viele, dass der Holocaust jemals stattgefunden hat, oder sie bagatellisieren und verdrehen die historischen Fakten, die ihn umgeben.
Heute, sieben Jahrzehnte später, sind Antiziganismus, Antisemitismus und andere Formen des Hasses und Rassismus wieder auf dem Vormarsch. Dies ist sehr besorgniserregend. Der Holocaust hatte tiefgreifende Auswirkungen auf die europäische Gesellschaft, indem er Generationen von Angehörigen von Minderheiten verdrängte und Familien zerriss. Das Leid der Roma und Tinti wurde nicht anerkannt, und das Erbe des Holocaust wirkt bis heute in Form von Anti-Roma-Rhetorik, Hassreden und Stereotypen, Vorurteilen und Ausgrenzung fort.
Ich war entsetzt, als ich von dem jüngsten Fall von Polizeibrutalität gegen einen Roma-Bürger erfuhr. Europa ist auf der Achtung der Grundrechte aufgebaut, und Polizeibrutalität und Gewalt gegen die Menschenwürde haben darin keinen Platz. Die Mitgliedstaaten und Behörden müssen entschlossen gegen Polizeibrutalität und ethnisches Profiling vorgehen und sicherstellen, dass angemessene und nicht diskriminierende Polizeimethoden angewandt werden, ungeachtet der ethnischen oder rassischen Herkunft, der sexuellen Ausrichtung oder der Religion und Weltanschauung. Europa muss seine Minderheiten vor Rassismus und Diskriminierung schützen.
Letztes Jahr habe ich einen Zehnjahresplan vorgelegt, um die Gleichstellung der Roma mit allen anderen Mitgliedern der Gesellschaft, ihre soziale und wirtschaftliche Eingliederung und ihre Beteiligung am politischen, sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben zu fördern. Der Rat der Europäischen Union hat diesen Plan aufgegriffen und im März dieses Jahres angenommen. Darin bekräftigen wir unsere Verpflichtung, die Diskriminierung von Roma wirksam zu bekämpfen und die Integration von Roma in den Schlüsselbereichen Bildung, Beschäftigung, Gesundheit und Wohnen zu fördern.
Ich bin zuversichtlich, dass diese Schritte dazu beitragen werden, die seit langem bestehende Ungerechtigkeit der Diskriminierung und Ausgrenzung der Roma zu bekämpfen. Die Kommission verstärkt auch den Kampf gegen Rassismus durch einen Anti-Rassismus-Aktionsplan für 2020-2025, und ich habe die Mitgliedstaaten aufgefordert, bei der Umsetzung der in diesem Plan vorgestellten Maßnahmen Antiziganismus als eine spezifische Form von Rassismus zu berücksichtigen. Ich werde auch prüfen, ob die Liste der EU-Verbrechen auf alle Formen von Hassverbrechen und Hassreden erweitert werden kann. Sei es aufgrund von Rasse, Religion, Geschlecht oder Sexualität.
Ich werde alle mir zur Verfügung stehenden Mittel nutzen, um sicherzustellen, dass die europäische Gesellschaft gleich, menschlich und fair für alle ist. Wir müssen aus der Vergangenheit lernen, um eine bessere Gegenwart und Zukunft zu gewährleisten. Lassen Sie uns dafür sorgen, dass das Leid der Sinti und Roma, die Opfer des Holocaust wurden, für diese und künftige Generationen nicht vergessen wird, und lassen Sie uns eine bessere Zukunft für alle aufbauen.
Biographie
Helena Dalli is the first EU Commissioner for Equality since December 2019. Her role is to deliver on the Union of Equality chapter within the Political Guidelines of President von der Leyen, by strengthening Europe’s commitment to equality and inclusion in all of its senses.
Prior to taking her role as Commissioner, Dalli held various political roles in Malta including Member of Parliament (1996 to 2019), Minister for European Affairs and Equality (2017 to 2019), and Minister for Social Dialogue, Consumer Affairs and Civil Liberties (2013-2017). She was also opposition Shadow Minister for public administration, equality, public broadcasting and national investments (1998-2013) and Junior Minister for Women’s Rights in the Office of Prime Minister (1996-1998). Dalli holds a PhD in Political Sociology from the University of Nottingham, and lectured in Economic and Political Sociology, Public Policy, and Sociology of Law at the University of Malta.
Stellungnahmen 2021
Romani Rose
Vorsitzender des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma
Katarina Barley
Vice President of the European Parliament
Helena Dalli
EU-Kommissarin für Gleichstellung
Claudia Roth
Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages
Paul Blokhuis
Dutch State Secretary Paul Blokhuis
Chris J. Lazaris
Amb. Chris J. Lazaris, IHRA Chairman
Fernand des Varennes
UN-Sonderbeobachter für Minderheitenfragen
Anna-Nicole Heinrich
President of the Synod of the Evangelical Church in Germany (EKD)
Justin Trudeau
Prime Minister of Canada
Roman Kwiatkowski
Vorsitzender der Gesellschaft der Roma in Polen
Erich Schneeberger
stellv. Vorsitzender des Dokumentations- und Kulturzentrums Deutscher Sinti und Roma und Vorsitzender des Verbands Deutscher Sinti und Roma – Landesverband Bayern
Timea Junghaus
Executive Director
European Roma Institute for Arts and Culture (ERIAC)
Adam Strauß
Vorsitzender des Landesverbandes Deutscher Sinti und Roma Hessen
Manon Aubry
Manon Aubry, MEP
Adrian-Nicolae Furtuna
Historian at the University of Bucharest
Philomena Franz
Holocaust-Überlebende
Angelina Kappler
German former Weinkönigin
Marian Kalwary
Chairman of the Association of Jews,
Survivors and Victims of the Second World War
Piotr Gliński
First Deputy Prime Minister and the Minister of Culture and National Heritage of Poland
Izabela Tiberiade
Young Activist from Sweden
Ursula Krechel
Schriftstellerin
Marija Pejčinović Burić
Generalsekretärin des Europarates
Klaus Iohannis
Präsident Rumäniens